©KLANG UND TECHNIK
w
D
ie a m ü s a n te Ü b ersp it
z u n g au s O rw ells „ A n i-
m al F a rm “ b e sc h re ib t
v o r dem H in te rg ru n d d e r ru s -
sischen R evolution vortrefflich,
w ie u n sin n ig es ist, ein en k o m -
plexen S achverhalt in eine id ea-
lisierte, d a n n a b e r a u ch sta rk
v e re in fa c h te F o rm p ressen zu
w ollen. D och zeigt sie auch, wie
unausw eichlich vereinfachende
A b strak tio n n o tw en d ig zu u n -
serem D en k en g eh ö rt, w ir dem
G u t/B ö se -,
S c h w a rz /W e iß -
S ch em a Folge leisten m ü ssen ,
u m d e n D ingen, m it d e n e n w ir
u n s beschäftigen, eine S tru k tu r
geben zu k ö n n en . So liegt allen
U n tersu ch u n g en , die w ir bisher
z u m T h em a V erzerru n g en a n -
stre n g te n , ein e A u se in a n d e r-
se tz u n g m it re a listisc h e r w ie
idealistischer B etrachtungsw ei-
se zu g ru n d e.
Gute Geradzahlige?
D er ideale V erstärker produziert
keine V erzerrungen. Ein realer
V e rstä rk e r p ro d u z ie rt sie u n -
ausw eichlich. D iese w ied eru m
lassen sich in geradzahlige, v er-
m ein tlich g u te, u n d u n g e ra d -
zahlige, v erm ein tlich schlechte
H arm o n isch e u nterteilen. Eine
isolierte B etrachtung der „guten
0
dB
-40
J . U 4 . 1 J „ L J . L U i C J .
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m i r T r i r r . r v
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•
120
-
Vierbeiner gut
Sind geradzahlige Verzerrungen wirklich immer die „guten"
und ungeradzahlige die „bösen" Verzerrungen?
V e rz e rru n g e n “ an V erstärk ern
w ie au ch an In stru m e n te n ist
n ic h t m öglich, da diese z w in -
gend m it d en ungeraden g ek o p -
pelt sind. Insofern ist im m e r ei-
n e gew isse Skepsis an g eb rach t,
w en n O b ertö n e isoliert b etrach -
tet u n d bew ertet w erden.
A uch H elm holtz w ar bei sei-
n en B etrach tu n g en z u r K lang-
farbe rech t v o rsichtig u n d b e -
schrieb n u r die U n g eraden ge-
nau , da sie bei bestim m ten In -
stru m e n te n se h r d eu tlich h e r-
v o rtre te n , so m it gut zu b e o b -
ach ten sind. D ie G erad en b e -
sch rieb e r nie einzeln, en th ielt
sich jedw eder spekulativen A us-
sage, w elche über d e n Z u sa m -
m e n k la n g d e r nied eren g an z-
zahligen H arm o n isch en m it ih -
re r G ru n d w elle hinausginge.
W ie k o m m t es d a n n zu derlei
A ussagen? N u n , m a n schließt
v o n
d e r
B eobachtung,
dass
T ra n sisto rv e rstä rk e r oft n ü c h -
tern er als R öhrenverstärker klin-
gen, u n d d en dam it v e rb u n d e -
n e n K lirrsp ek tren , w elche bei
T ran sisto rg e rä te n ein e n m eist
höh eren A nteil ungeradzahliger
H arm o n isch er aufw eisen, rü c k -
w irk en d a u f d e n v erm ein tlich
a n g e n e h m e re n C h a ra k te r d e r
G eraden.
D as ist falsch! D ie m eisten
T ra n sisto rv e rstä rk e r sin d zu m
Z w ecke
d e r
K lirru n te rd rü -
c k u n g als G e g e n tak tv erstärk er
au fg eb au t. H ie rd u rc h w erd en
d ie q u a d ra tisc h e n (g e ra d z a h li-
gen) K lirrp ro d u k te im Idealfall
e lim in ie rt, u n d d e r G e sa m t-
k lirrfa k to r sin k t d e u tlic h . D ie
ü b rig g e b lie b e n e n U n g e ra d -
zahligen, w elche als Folge sy m -
m e tris c h e r V e rfo rm u n g des
S ignals e n ts te h e n u n d bei je -
d e m V e rstä rk e r sp ä te ste n s an
d e r A u sste u e ru n g sg re n z e u n -
v e rm e id lic h sin d , w e rd e n als
tra n sis to rty p is c h
g e b ra n d -
m a rk t, o b w o h l es eig en tlich
n ic h t e in e F rag e vo n R ö h re
o d e r T ra n sisto r, so n d e rn eh er
v o n E in tak t o d e r G eg en tak t ist.
In E rm a n g e lu n g ein es B ei-
spiels, w elches darlegen w ürde,
w ie m a n d e n K la n g c h a ra k te r
ein es rein G erad zah lig e p ro d u -
zie re n d e n V erstärk ers e m p fin -
d e n w ü rd e , k a n n a u c h n ic h t
d arg estellt w e rd e n , o b ein so l-
c h e r o h n e d ie ü b lich e E in b e t-
tu n g in ein G e sa m tk lirrsp e k t-
ru m ü b e rh a u p t g u t k lin g en
w ü rd e, so dass sich das V o ru r-
teil d e r „ g u te n g e ra d z a h lig e n
H a rm o n is c h e n “
h a rtn ä c k ig
h ä lt. A lle b ish e rig e n M e s su n -
gen u n d K lan g b ew ertu n g en le -
gen n a h e , dass es v ie lm e h r a u f
ein b e stim m te s V erh ältn is vo n
g e ra d e n u n d u n g e ra d z a h lig e n
H arm o n isch en zu ein a n d er u n d
zu d e r e n tsp re c h e n d e n G ru n d -
w elle a n k o m m t.
Böse Differenztöne?
Bleibt n u n zu u n tersu ch en , in -
w iefern die gängige E in sc h ä t-
zung
d e r
D ifferen ztö n e
als
klanglich „schlecht“ haltbar ist.
L eider steh en w ir w ieder v o r
dem P ro b lem ein e r physik ali-
schen K opplung, w elche verh in -
d ert, dass w ir eindeutige A ussa-
gen ü b e r die E inzelphänom ene
m achen kön n en .
D as D iag ram m u n te n links
zeigt einen V erstärker m it aus-
schließlich sym m etrischen V er-
ze rru n g e n , d as m ittlere D ia-
g ra m m ein e n m it b eid en V er-
z e rru n g sa rte n . W ie w ir sehen,
führt die zw eite „gute“ H a rm o -
nische auch zw angsläufig zu ei-
n em „schlechten“ ersten D iffe-
re n z to n D l. M an k ö n n te au ch
sagen: Je d eu tlich er die A u sp rä-
gung d er H arm onischen ist, des-
to m e h r d issonante D ifferenztö-
n e bild en sich aus. Bei derlei
Ü b e rsc h n e id u n g e n
ist
eine
K la n g b estim m u n g d e r einzel-
9
12
15
18
21
kHz
Verstärker mit symmetrischen Verzerrungen.
Nutzsignale f, = 3,18 kHz, f2 = 15 kHz: nur ungera-
de Harmonische
H
und gerade Differenztöne
D
Verstärker mit asymmetrischen Verzerrungen,
Nutzsignale f, = 3,18 kHz, f2 = 15 kHz: alle Harmo-
nischen
H
und alle Oifferenztöne
D
tauchen auf
Verstärker mit asymmetrischen Verzerrungen,
Nutzsignale f, = 3,0 kHz, fz = 15 kHz: Harmoni-
sche
H
und Differenztöne
D
decken sich
w m m m
48 STEREO 3/2012